Dawn chorus, der „Chor des Sonnenaufgangs“, oder das morgendliche Vogelkonzert, ist für ganz unterschiedliche Menschen faszinierend: Naturbegeisterte, Kunstschaffende, Träumer, aber eben auch für die Wissenschaft.
Man weiß heute, dass der Gesang der Vögel besonders zur Paarungszeit wichtige Funktionen erfüllt, zum Beispiel um Weibchen anzulocken, oder um Territorien gegen Rivalen abzustecken. Für Vogelforscher*innen ist der frühe Morgen sehr interessant, denn zu dieser Tageszeit sind Vögel ganz besonders aktiv. Zwar singen sie auch zu anderen Tageszeiten, jedoch kaum so intensiv wie frühmorgens. Interessanterweise beginnt jede Vogelart dabei immer zu einer bestimmten Zeit vor Sonnenaufgang zu singen. Somit verändert sich der Klang des Konzerts nicht nur im Verlauf eines jeden Morgens, wenn der Gesang verschiedener Vögel einsetzt. Auch klingen Vogelkonzerte in unterschiedlichen Gebieten anders, da andere Vogelarten vorkommen und mitsingen, so wie es auch anders klingt, wenn zarte Flöten oder elektrische Gitarren in einem Musikkonzert den Ton angeben. Aber nicht nur Ort und Zeit, auch andere Faktoren wie Wetterbedingungen (z.B. Sturm) oder menschliche Geräuschquellen (z.B. Fluglärm) können den Gesang der Vögel beeinflussen. Ein Vogelkonzert am Fuße des Himalaya klingt also ganz anders als eines auf dem Mittleren Ring in München (siehe noise maps, z.B.: http://noise.eea.europa.eu/) – und dieses wiederum klingt an einem normalen geschäftigen Dienstagmorgen anders als an einem verregneten Sonntag, wenn die meisten Menschen ausschlafen.
Diese spannende flexible Anpassungsfähigkeit wollen wir besser verstehen und deshalb einmal ganz genau zuhören! Ganz besonders in diesem Jahr, in dem das öffentliche Leben stark eingeschränkt ist und somit viele menschgemachte Geräusche zeitweise verstummt sind und dem Vogelkonzert die Bühne überlassen.
Soundscapes (zusammengesetzt aus dem Englischen sound = Klang und landscape = Landschaft), also Klang(land)schaften, können allein durch ihren Klang viele Eigenschaften von Lebensräumen widerspiegeln. Um es mit Bernie Krauses Worten zu sagen: *„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – aber eine Klanglandschaft sagt so viel wie tausend Bilder“ .
Manchmal verändern sich Klanglandschaften ganz plötzlich und offensichtlich. Eine schmerzliche Erfahrung, die Bernie in Kalifornien machen musste, nachdem er Tonaufnahmen vor und nach der Rodung eines Waldes gemacht hatte: trotz Wiederaufforstung war der Großteil der Vögel noch Jahre später verstummt*. Jedoch treten manche Veränderungen auch schleichend zutage, zum Beispiel durch den immer stärker werdenden Straßenverkehrslärm.
Tonaufnahmen bzw. Klanglandschaften können Wissenschaftler*innne also helfen, über längere Zeit Veränderungen in der Artenzusammensetzung wahrzunehmen (und damit zu erkennen, wo Arten verschwinden und wo die Artenvielfalt zurückgeht), oder auch den Einfluss von menschgemachtem Lärm auf das Gesangsverhalten von Vögeln zu erforschen. Beides ist hier unser wissenschaftliches Ziel.
Das wissenschaftliche Ziel von Dawn Chorus ist es, über mehrere Jahre hinweg, das morgendlichen Vogelkonzert an verschiedenen Orten zu dokumentieren. Anhand dieser Daten können wir die vorhandenen, singenden Arten nachweisen und ihr Vorkommen über Jahre hinweg verfolgen. So können wir erforschen, wo Arten in verschiedenen Lebensräumen (inkl. der Stadt) zurückgehen oder verschwinden, sowie Rückschlüsse über die Ursachen dafür gewinnen. Desweiteren können wir feststellen, welche oder wieviele menschliche Einflüsse vorliegen, z.B. Verkehrslärm, und wie sich diese auf das Gesangsverhalten der Vögel auswirken.
Citizen science (Bürgerwissenschaft) basiert auf der Mithilfe von Freiwilligen z.B. während der Datenaufnahme oder -analyse eines wissenschaftlichen Projektes. So können viel mehr Daten aufgenommen werden als Wissenschaftler es jemals alleine schaffen könnten. Selbst wenn die gesammelten Daten nicht immer von professioneller Qualität sind, können sie trotzdem spannende und wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse liefern – und sie sollen den Mitmachenden neues Wissen vermitteln und zum Nachdenken anregen.
Für das Projekt Dawn Chorus bedeutet citizen science, dass an vielen verschiedenen Orten gleichzeitig Tonaufnahmen des Vogelkonzerts aufgenommen werden. Diese Daten werden ergänzt mit Informationen zu Ort, Datum und Uhrzeit der Aufnahme, sowie der Beantwortung ein paar weniger, einfacher Fragen zu Wetter und menschgemachten Lärm. Anhand der Daten können Wissenschaftler*innen den Ist-Zustand der Klanglandschaften dokumentieren, ihn mit dem der kommenden Jahre vergleichen und dadurch wichtige Informationen über menschliche Einflüsse auf die Biodiversität, also die Artenvielfalt erforschen.
Vielen Menschen ist der Rückgang und die Bedrohung der Artenvielfalt der Vögel vor der eigenen Haustür zwar durch die Presse bekannt aber nicht wirklich als persönliche Erfahrung bewusst. Das Vogelkonzert ist nicht nur ein wunderbares Naturschauspiel, sondern wie oben erwähnt ein wertvoller Indikator für den Artenreichtum des jeweiligen Gebietes, den wir mit Ihnen als Mitmachenden zusammen erfahrbar machen möchten. Somit laden wir Sie herzlich ein, dieses Naturschauspiel zu erleben und sich damit ganz bewusst auseinanderzusetzen.
Wie oben erläutert, klingt das Vogelkonzert an verschiedenen Orten und zu verschiedenen (Uhr)Zeiten anders. Um den menschlichen Einfluss, z.B. Lärm, zu erforschen, müssen also andere Faktoren wie Uhrzeit oder Wetter berücksichtigt werden, da diese auch das Vogelkonzert beeinflussen.
Deshalb benötigen wir möglichst viele, möglichst unter den gleichen Bedingungen gewonnene Tonaufnahmen von vielen verschiedenen Orten. Idealerweise nimmt man im Verlauf eines Morgens mehrfach (z.B. vor, während und nach Sonnenaufgang), oder über mehrere Tage verteilt (z.B. an einem Wochentag und einem Feiertag), etwa zur gleichen Uhrzeit, auf. Eine Anleitung zum Erstellen der Aufnahmen finden Sie hier (https://dawn-chorus.org/de).
Aus diesen Daten können wir im Idealfall die vorkommenden singenden Vogelarten und die Uhrzeit (Zeit vor Sonnenaufgang) des Gesangs feststellen. Dies wird dann ergänzt mit Daten über Ort, Zeit, aktuelles Wetter, genaue Temperatur (falls vorhanden), Lebensraumtyp, sowie der gefühlten Lärmbelastung.
Die Citizen Science Plattform Dawn Chorus ist ein Projekt von BIOTOPIA (Naturkundemuseum Bayern) und der Stiftung Kunst und Natur. Wissenschaftliche Unterstützung bekommt das Projekt von der Max-Planck-Gesellschaft, durch das Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen, Deutschland.
Dr. Bernie Krause, Bioakustiker
Prof. Dr. Manfred Gahr, Direktor, Max-Planck-Institut für Ornithologie, Seewiesen
Naturkundemuseum Bayern
Botanisches Institut
Menzinger Str. 67
80638 München, Germany
BIOTOPIA Lab:
Phone: +49 (0)89 178 61-411
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